Mit der Finanzkrise und dem Steuersenkungsprogramm der Bundesregierung hat sich die Haushaltslage der Kommunen drastisch verschärft. Die Parteien in den Kommunalparlamenten reagieren darauf mit tiefen Einschnitten bei den Dienstleistungen und bei der Infrastruktur und zerstören damit die Lebensqualität der Bevölkerung.
Alle gesetzlich vorgeschriebenen Verpflichtungen werden bis zum Minimum heruntergefahren, seien es notwendige Reparaturen der Schlaglöcher von Straßen und Gehsteigen, dringende Renovierungen öffentlicher Gebäude und Schulen oder Leistungen der Behörden, die aufgrund der Personaleinsparungen immer längere Wartezeiten erfordern. Für die so genannten "freiwilligen Leistungen" der Städte, Landkreise und Gemeinden sei überhaupt kein Geld mehr vorhanden, erklären in diesen Tagen die Büros der Stadtkämmerer. Das trifft besonders die Ausgaben für Kultur, Sport und Freizeitgestaltung.
Besonders hart sind zahlreiche Kommunen in Ostdeutschland und im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen betroffen. Dazu gehören neben den Kommunen, die durch die Krise der Kohle- und Stahlindustrie schon gebeutelt sind, auch relativ wohlhabende Städte und Gemeinden, wie beispielsweise Düsseldorf oder Mülheim an der Ruhr.
Kahlschlag an der Ruhr
Der Stadt Mülheim, die traditionell zu den wohlhabenden Ruhrstädten gehört, droht in den nächsten drei Jahren ein Haushaltsloch von 60 bis 90 Millionen Euro jährlich. Für alles, was nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, gibt die Stadt 25 bis 50 Millionen jährlich aus. Das heißt, auch wenn alle Ausgaben für Kultur, Sport, Senioren usw. gestrichen würden, könnte das Defizit nicht ausgeglichen werden. Um ihre laufenden Ausgaben bestreiten zu können, musste die Stadt allein in diesem Jahr 425 Millionen an Kassenkrediten aufnehmen.
Obwohl die Ausgaben für Kultur nur einen ziemlich geringen Prozentsatz der städtischen Ausgaben ausmachen, gehören sie zu den bevorzugten Sparpotentialen. So beträgt der Anteil der Kulturausgaben in Duisburg nur etwa 5 Prozent am Gesamthaushalt, dennoch muss er für 2,5 Prozent des Sparpakets herhalten. Jetzt bereits sind die Spielpläne der Theater ziemlich ausgedünnt worden. Zahlreiche Städte planen zumindest eine Sparte, Schauspiel, Musiktheater oder Ballett zu streichen oder mit anderen Städten zu kooperieren. Wie stark die Kulturkürzungen das öffentliche Leben zu beeinträchtigen drohen, wird demnächst ein gesonderter Artikel der WSWS aufzeigen.
Die Stadt Duisburg, die zusammen mit Dortmund und Gelsenkirchen zu den westdeutschen Städten mit der höchsten Arbeitslosigkeit und der schlechtesten Finanzlage gehört, hat ein Haushaltssicherungskonzept vorgelegt, das bis 2014 reicht. Es sieht unter anderem vor:
· Erhöhung der Eintrittspreise für Schauspiel und Philharmonie (plus 70.000 ab 2011)
· Erhöhung der Hundesteuer (plus 400.000 pro Jahr),
· Erhöhung der Rettungsdienstgebühr (plus 900.000 pro Jahr),
· Gebührenerhöhung für die Musikschule (plus 240.000 ab 2011),
· Verlagerung der Stadtteilbibliotheken in Schulen (plus 700.000 ab 2011),
· Zuschuss-Kürzungen für das Kulturzentrum "Hundertmeister" und das Programmkino "Filmforum", für das Reibekuchen-Theater, die Cubus-Kunsthalle, das Kulturzentrum "Bunker" (plus 111.000 ),
· höherer Eintritt in städtischen Schwimmbädern (plus 155.000 ab 2011)
· und die Senkung der dortigen Wassertemperatur (plus 105.000 ab 2011).
· Die Eissporthalle soll verkauft oder verpachtet werden (plus 430.000 ab 2011).
Der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) spricht von "harten Einschnitten", die weh tun werden, so vor allem im Bereich Bildung. Der muss in Duisburg 11,7 Prozent zum Sparpaket beitragen, indem Schulen geschlossen oder zusammengelegt und dadurch Gebäude überflüssig werden. Insgesamt stehen zwölf Schulen vor dem Aus.
In der Stadtverwaltung werden 280 Stellen bis 2014 abgebaut und weitere 400 nicht neu besetzt - ein Minus von fast 700 Stellen. Allein auf diesen Personalabbau entfallen 22,5 Prozent der Einsparungen aus dem Haushaltssicherungskonzept.
Gegen die Duisburger Sparpläne im Kinder- und Jugendbereich demonstrierten am 12. Februar 400 Menschen, weil allein in diesem Bereich in diesem Jahr 10 Prozent und in den nächsten Jahren sogar 30 Prozent eingespart werden sollen. Das bedeutet das sichere Aus für die noch verbliebenen Kinder- und Jugendtreffs in den Stadtteilen.
Auch Bochum erhöht die Eintrittspreise für die Bäder und senkt die Wassertemperaturen.
In anderen Kommunen sieht es nicht viel anders aus. Die geplanten Einsparungen in Dortmund von über 20 Millionen Euro sehen allein im Bereich des Familienbüros Einsparungen von fast einer Million Euro vor. Das Schulverwaltungsamt soll 5,2 Millionen Euro sparen, indem Maßnahmen verschoben, Zuschüsse gekürzt, die Förderung innovativer Schulentwicklung heruntergefahren und die Schulsozialarbeit weitgehend eingestellt werden. Allein 66 befristete Arbeitsverträge in diesem Bereich wurden nicht verlängert
Beim Jugendamt sind Einsparungen von 1,4 Millionen Euro geplant, indem Fachtagungen und Beteiligungsaktionen für die Jugendarbeit entfallen sowie Förderprojekte verschoben, Druckaufträge, Seminare, Aufwendungen für die Elternbildungsarbeit und Anschaffungen für Jugendbildung, Jugendberufshilfe gekürzt oder gestrichen und keine Sprachfördermittel mehr bewilligt werden. Selbst an der Beratung für die Schwerbehinderten soll gespart werden. Freie Träger der Jugendarbeit müssen im nächsten Jahr mit 215.000 Euro weniger auskommen.
Teufelskreis der Verschuldung
Die Verschuldung der Kommunen, für die nun die Bevölkerung zur Kasse gebeten wird, ist kein Naturereignis und auch nicht erst durch die Finanzkrise 2008 entstanden. Bereits die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder hat mit Steuersenkungen für die Unternehmen die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen geplündert. Als Ausweg aus der Zwickmühle zwischen zunehmenden Ausgabenverpflichtungen wegen der steigenden Arbeitslosigkeit und Armut und sinkenden Einnahmen haben die kommunalen Kämmerer öffentliche Betriebe und wertvolle Grundstücke privatisiert bzw. verkauft und schließlich selbst am finanziellen Roulette an den Börsen teilgenommen, natürlich ohne dabei die Taschen der eigenen lokalen Klientel zu vergessen.
Dubiose Cross-Boarder-Leasing-Geschäfte (CBL), bei denen Klärwerke, Kanalsysteme, Trinkwassersysteme, U-Bahnen und andere wichtige Einrichtungen an US-"Investoren" verkauft und dann vom neuen Eigentümer geleast wurden, führen heute zu neuen Kostenbelastungen, weil die vertraglichen Rückzahlungen oft ein Mehrfaches der einst gewonnenen "Barwertvorteile" betragen.
Andere Kommunen haben große Summen öffentlicher Gelder an der Börse durch zweifelhafte Anlagen verloren.
Wie der Deutsche Städtetag berichtet, sind die kommunalen Einnahmen im Jahr 2009 insgesamt um etwa 3,6 Milliarden Euro zurückgegangen. Das Minus wäre noch höher ausgefallen, wenn nicht eine süddeutsche Gemeinde eine zusätzliche Einnahme von 1 Milliarde Euro hätte verbuchen können. Gleichzeitig sind die Ausgaben der Kommunen um ca. 8,5 Milliarden Euro auf 175,75 Milliarden Euro angewachsen.
Das jährliche Defizit der kommunalen Haushalte droht in diesem Jahr auf die Rekordhöhe von 12 Milliarden Euro zu klettern und für die nächsten Jahre werden ebenfalls zweistellige Milliardenhöhen erwartet. Dies kommt zur bereits existierenden Verschuldung von zurzeit etwa 33,8 Milliarden Euro hinzu. Ursprünglich sollten mit kurzfristigen Kassenkrediten nur "vorübergehende Liquiditätsengpässe" überbrückt werden. Doch inzwischen müssen diese Kredite von notleidenden Städten dauerhaft zur Finanzierung laufender Ausgaben eingesetzt werden. Dadurch spitzt sich Verschuldung der Kommunen noch weiter zu, weil sie, allein um ihre Pflichtaufgaben erfüllen zu können, solche kurzfristigen Kredite zu einem relativ hohen Zinsniveau aufnehmen müssen. So müssen die Kommunen zum Beispiel höhere Ausgaben für die durch die Bundesregierung beschlossene Ausweitung der Kinderbetreuungsmöglichkeiten schultern.
Auf der anderen Seite brechen die Steuereinnahmen der Kommunen in großem Ausmaß weg. Allein 2009 sanken sie um 10 Prozent oder 7,1 Milliarden. 2010 werden sie nochmals um 5 Prozent bzw. weitere 3,2 Milliarden Euro sinken.
Nach einer Umfrage des Deutschen Städtetags fielen die Steuereinnahmen 2008 bis 2010 in Frankfurt um 25,4 Prozent, in Plauen um 33,7, in Stuttgart um 25,9, in Wuppertal um 21,9 und in Wolfsburg sogar um 43 Prozent niedriger aus.
Die Gewerbesteuer ist die Haupteinnahmequelle der Kommunen. Insgesamt ging sie 2009 um 17,4 Prozent zurück. Durch das von der schwarzgelben Koalition beschlossene "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" wird es im Jahr 2010 zu weiteren Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer in Höhe von 900 Millionen Euro oder 0,3 Prozent kommen. Ebenso sind durch neue gesetzliche Regelungen für Unternehmen, die Forschungstätigkeit in Deutschland geltend machen können, nach Schätzungen des Städtetags voraussichtlich mit weiteren Mindereinnahmen von 1,8 Milliarden Euro zu rechnen.
Auch der den Kommunen zustehende Anteil an der Einkommenssteuer, der ohnehin wegen der wachsenden Arbeitslosigkeit rückläufig ist, wird 2010 infolge des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes deutlich zurückgehen. Bundesweit wird mit einem Minus von fast 10 Prozent gerechnet. Schon 2009 war er um 7,4 Prozent geschrumpft.
16 Städte aus dem Ruhrgebiet und dem Bergischen Land haben in einem Gespräch mit dem nordrhein-westfälischen Finanzminister Helmut Linssen (CDU) diskutiert, die Bevölkerung zusätzlich durch eine so genannte Entschuldungsabgabe oder erhöhte Grundsteuern zur Kasse zu bitten. Eine Beteiligung des Landes an einem Entschuldungsprogramm für die Kommunen lehnte der Minister ab. Er beruft sich auf die im Rahmen des Bund-Länder-Finanzausgleichs beschlossene Schuldenbremse, die den Ländern trotz wachsender Ausgaben verbietet, sich weiter zu verschulden.
Egal, welche der Bundestagsparteien in den jeweiligen Kommunen regiert, sie alle versuchen, die finanzielle Misere auf die Bevölkerung abzuwälzen. Der ehemalige grüne Landtagsabgeordnete und jetzige Düsseldorfer Hochschulprofessor Stefan Bajohr hat beispielsweise der Stadt Hagen ein Einsparpotential von 90 Millionen Euro verordnet. In seiner Funktion als Finanzberater der Stadt erklärte Bajohr, alles müsse "auf den Prüfstand" und in der Verwaltung sollten dringend 726 Personalstellen abgebaut werden.